Die Camargue

"Die Camargue ist ein Delta, der Müllplatz eines Flusses, seine Schlafnische (Alkoven). Bis hierher ist er geflossen, schnell, ohne Zeit für metaphysische Gedanken; er hat gelebt. In diesem Delta ist er am Ende, er wird in Kürze im Meer verschwinden, also wird er träge, er bummelt, teilt sich, rollt sich zusammen, er kommt ins Grübeln, er zögert, er rekapituliert.

Alles was er bis hierher mitgeschleppt hat wird durchgesehen, vermischt, verrottet und er zieht daraus seinen Ruhm. Aus allem was er an seinen Ufern mitgerissen hat, macht er Schlamm, Humus und Sand. Alles was er getötet hat, erweckt er wieder zum Leben, alles Tote wird wieder lebendig. Das Saatkorn, das er wütend mitgeschleppt hat, hier hegt und pflegt er es und bringt es zum Keinem."*

So beschreibt Jean Giono* die Camargue, das Delta gebildet durch die Kleine Rhône im Westen und die Große Rhône im Osten. Üblicherweise wird diesem Kernbereich noch die - Petite Camargue genannte - Ebene westlich der Kleinen Rhône bis zum Canal du Rhône hinzugerechnet, ebenso der "Plan de Bourg" südlich von Arles (Ort der berühmten Zugbrücke, die van Gogh gemalt hat), sowie der Marais du Vigueirat östlich der Großen Rhône auf Höhe des Etang de Vaccarès.

Die Struktur dieses - mit Kanälen und und Teichen (Etangs) durchzogenen - Schwemmlands und die besondere Lage mit Süßwasser im Norden und Salzwasser im Süden macht die Camargue, das größte Flussdelta Westeuropas, zu einem der artenreichsten Gebiete für Fauna und Flora. Dabei bietet nicht nur die Natur Spektakuläres, auch der Besuch der Städte lohnt sich sehr (St. Gilles; Arles; Les Saintes Maries de la Mer, Aigues-Mortes) und die langen Sandstrände laden zum Baden ein. Zwei große Salinen (Salin de Giraud im Osten und Die Saline von Aigues-Mortes im Westen) können ebenfalls besichtigt werden.

Die Camargue wird überwiegend landwirtschaftlich genutzt. Dabei spielen der Reisanbau und die Salzgewinnung ein große Rolle. In den Gebieten wo keine landwirtschaftliche Nutzung des Bodens möglich ist, werden die berühmten - fast weißen - Pferde und die Stiere der Camargue gehalten. Die Stiere, kleiner als die spanischen, spielen auch sonst keine geringe Rolle. Sie werden für eine Spielart des Stierkampfs eingesetzt, bei dem der der Stier nicht getötet wird, der Course camarguaise. Auch ihr Fleisch wird verzehrt z.B. als Gardiane de Taureau.

Das touristische Angebot ist entsprechend der Bedeutung der Camargue, sehr hoch. An vielen Orten kann man Pferde mieten für Ausritte - geführt oder alleine. Es gibt ein Museum der Camargue und ein "Maison du Riz", wo man alles über den Reisanbau erfährt und auch Reis kaufen kann. Insbesondere in Les Saintes Maries, gibt es regelmäßig Stierkämpfe (Course camarguaise). Dabei sollte man die "Abrivados" nicht verpassen: Der "Transport" der Stiere im Galopp von der Manade zur Arena und zurück - spektakulär. Sehenswert auch die "Pélerinage des Gitans" - die Wallfahrt zur Hl. Sara. Großes Spektakel, tolle Atmosphäre und viel Musik (spanisch und gitans).

Ebenfalls empfehlenswert eine Bootsfahrt auf der Kleinen Rhône, sei es mit kleinen Ausflugsschiffen ab dem kleinen Hafen von Les Saintes Maries (Port Gardian) oder mit der "Tiki III" - einem Raddampfer - von der Anlegestelle an der Mündung der kleinen Rhône. Die Fahrten gehen jeweils bis zur Auto-Fähre "Bac Sauvage". Das Zugseil der Fähre verhindert eine Weiterfahrt. Die Fahrt lohnt sich nicht nur weil man die Camargue von einer Seite sieht, wo man sonst nicht hinkäme, sondern auch weil man, bei ein bisschen Glück, seltene Vögel sieht (z.B. Bienenfresser).

* Jean Giono Camargue (Fotos im Buch Hans W. Silvester)